Porträt | Astrid Tomczak
Manchmal überlegt er lange, bevor er antwortet. So lange, dass die Fragestellerin befürchtet, dass sie vielleicht ein Tabu angerührt hat. Oder dass ihr Englisch doch nicht so gut ist und die Frage missverständlich. Nichts von alldem: Robbie I’Anson Price ist einfach nicht der Typ, der Unreflektiertes und Belangloses hinausposaunt. Er macht sich Gedanken über den Zustand unseres Planeten, darüber, wie wir achtsam mit ihm umgehen können. Über die Ursachen von Flucht und Elend. Auf eine einfache Formel gebracht, lautet seine Antwort: Weniger Konsum und Gier, bessere Bildung für alle. Differenzierter beschreibt es der 33-Jährige in seinem Lebenslauf. «Ich strebe danach, ehrlich, genau und gut zu sein. Bei jedem Projekt, das ich mache, habe ich den Ehrgeiz, etwas zu schaffen, das für die Welt einen Wert hat, sei es erzieherisch, inspirierend oder Freude bringend». Wow. Ein ambitionierter Gutmensch also?
Der schlaksige Typ, der da im Café im 5. Stock eines Supermarkts in Lausanne vor seinem Labtop sitzt, wirkt so gar nicht wie ein Eiferer, der angetreten ist, die Welt mit seinen Verbesserungsvorschlägen zu erobern. Eher wie ein staunendes, wissbegieriges Kind, neugierig auf das, was da noch kommen mag.
Robbie I’Anson Price ist in Blackpool, Nordengland aufgewachsen, das ab dem 19. Jahrhundert als Ferienziel der nordenglischen Arbeiterklasse bekannt war. «Es gab in Blackpool keine besonders guten Schulen», sagt I’Anson Price. «Ich war auf einer diesen mittelmässigen Schulen. Aber ich hatte Glück mit meinem Umfeld.» Seine Eltern haben mit ihm und seinen beiden Geschwistern viele Ausflüge in die Natur gemacht, Robbie hat Stunden im Garten verbracht und Insekten beobachtet. In Manchester hat er Zoologie studiert. Wie es nach dem Bachelor-Abschluss weiter gehen sollte, wusste er nicht wirklich. Bis ihm seine Mutter, eine Lehrerin, eines Tages von einem Lehrerkollegen erzählte, der in Südkorea unterrichtet und gut verdient hätte. Das wäre doch auch was für ihn – dann könnte er sein weiteres Studium finanzieren. Also wurde Robbie zum temporäreren Englischlehrer in Südkorea. «Manchmal sind es solche Momente, die dem Leben eine Richtung geben», sagt der Biologe. «Ohne diesen Aufenthalt hätte ich vielleicht nie ein Masterstudium gemacht.» Nach zwei Jahren kam er zurück, machte ein Masterstudium in Ökologie und Evolution am Imperial College London – und entdeckte seine Liebe zu den Bienen. «An einem faulen Sonntagnachmittag sah ich bei einer Freundin ein Buch über die Soziologie von Honigbienen. Ich begann es zu lesen und wusste: Ich möchte mit Bienen arbeiten.» Also suchte er überall entsprechende PhD-Stellen und wurde in Lausanne fündig. «Es war ein Traum», sagt er und erzählt von «Einkaufstrips» nach Frankreich: «Wir haben dort Honigbienen gekauft, sassen in unseren Imkeranzügen im Auto. Das war schon sehr aufregend.»
«Wir haben dort Honigbienen gekauft, sassen in unseren Imkeranzügen im Auto. Das war schon sehr aufregend.»
Der Doktorand war begeistert von seiner Arbeit – und doch kämpfte er manchmal mit Stimmungsschwankungen, schaffte es kaum aus dem Bett. In dieser Zeit entdeckte er das Filmemachen. «Um Filme zu machen, musste ich aufstehen», sagt er. Wieder einer dieser Momente, die seinem Leben eine neue Richtung gaben. In einem seiner ersten Filme verpackte er sein wissenschaftliches Wissen um den Bienentanz in eine romantisch-spielerische Cinderella-Story, in der er selbst die Hauptrolle spielt. Märchenwelten – das ist sein Ding. «Ich liebe Musicals», sagt er und erzählt, wie er sich kürzlich mit einem Freund darüber austauschte, dass er nie fähig wäre, ein solches Kunstwerk zu schaffen. Der Freund antwortete: «Du musst besser mit anderen zusammenarbeiten.» Seitdem denkt er über diesen Satz nach. «Ich bin aus lauter Bequemlichkeit eher ein Einzelkämpfer. Wenn ich alleine an einem Film arbeite, habe ich nach einem Wochenende ein Resultat.» Mit der Jungen Akademie könnte er hingegen doch zum Teamplayer werden: Gerne würde er sich mit anderen Mitgliedern in einem Projekt engagieren, das Bildung und Innovation zum Fokus hat. «Alles beginnt mit einer guten Ausbildung für alle. Ungleichheit verursacht so viele Umweltprobleme, führt zu Fluchtbewegungen». Robbie redet sich in Fahrt, bricht dann ab. «Das führt zu weit», sagt er. Aber eine Botschaft ist ihm wichtig. Sie ist im 12. UNO-Nachhaltigkeitsziel zusammengefasst. «Verantwortungsvoller Konsum und Produktion». «Wenn wir unser Profitstreben zurückfahren, ist dieses Ziel greifbar.»
Dass Filmen mehr als ein Hobby sein könnte, wurde für den jungen Mann schnell klar. 2018 gewannen er und ein Freund den ersten Preis beim Eco-Comedy-Film-Wettbewerb. Und zwar mit einer innerhalb 24 Stunden produzierten Persiflage einer amerikanischen Erfolgsshow (me and Tweets), in der der Twitterer @humanity mit Tweets von der Erde, den Weltozeanen, bedrohten Tieren etc. konfrontiert und zum Umdenken angeregt wird. Mit einem AGORA-Stipendium des SNF organisierte I’Anson Price in den letzten Jahren 10 «Exposure Science Film Hackathons», bei denen Forschende innerhalb von 3 Tagen Filme schaffen, die dann in Kinos in der ganzen Schweiz gezeigt werden. «Es geht nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern die Menschen zum Handeln zu bewegen», betont er. Mittlerweile ist I’Anson Price an der Universität Genf Leiter des Gesamtprojekts (SciFilmIt). «Ich vermisse meine Bienen sehr, aber ich war auch froh, die rein akademische Welt zu verlassen», sagt er.
«Es geht nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern die Menschen zum Handeln zu bewegen»
Seine Anstellung ist bis nächsten Sommer befristet. Danach hat er grosse Pläne: «In 80 Tagen um die Welt» wie es der BBC-Journalist Michael Palin aufgrund der literarischen Vorlage von Jules Verne gemacht hat. Wenn ihm Corona einen Strich durch die Rechnung macht, bleibt ein anderer Traum: «Ich will Wissenschaftsgeschichten erzählen. Einen Job zu finden, der mir das erlaubt, wäre toll.» Sein grosses Vorbild dabei ist David Attenborough, der bekannte englische Tierfilmer und Naturforscher. «Eigentlich fühle ich mich als Filmer ein bisschen wie ein Eindringling», sagt der Engländer. Und dennoch weiss er: Es ist sein Weg: Brücken zu schlagen von der komplexen Welt der Wissenschaft in die Gesellschaft. Auch mit Hilfe der Jungen Akademie Schweiz.
Robbie I’Anson Price (Jg. 1987) stammt aus Blackpool (UK). Er hat an der Universität Manchester Zoologie studiert, zwei Jahre Englisch in Südkorea unterrichtet, dann am Imperial College London seinen Masterabschluss in «Ecology, Evolution and Conservation» gemacht. In seiner Doktorarbeit hat er sich mit Honigbienen beschäftigt, aber er hat auch zu stachellosen Bienen geforscht, zu denen er auch Feldforschung in Brasilien gemacht hat. I’Anson Price hat grosse Erfahrung in der Wissenskommunikation – unter anderem mit Kindern. In den letzten Jahren hat er sich vermehrt dem Filmemachen und Storytelling verschrieben. Er leitet an der Universität Genf das Projekt SciFilmIt, das Forschende und Filmschaffende zusammenbringt.
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