Wissenschaft vernetzen.

Die Junge Akademie Schweiz vernetzt Nachwuchsforschende aus verschiedensten Wissenschaftsbereichen und bildet ein inspirierendes Umfeld für inter- und transdisziplinäre Begegnungen und innovative Ideen. Die Mitglieder sind Ansprechpartner:innen für die Schweizer Wissenschaft und gelten als die junge Stimme der Akademien der Wissenschaften Schweiz.

Wie eine Nicht-Medizinerin die praktische Medizin voranbringt

Mit ihrer Forschung leistet sie einen praktischen Beitrag zu einer gesünderen Welt: Lauren Clack leitet die Forschungsgruppe für Implementation Science in Health Care an der Universität Zürich. Die Junge Akademie Schweiz sieht sie als eine Auswahl von «Torjäger:innen», welche die akademische Landschaft der Zukunft mitgestalten.
 

Portrait I Astrid Tomczak-Plewka

Mitten im Gespräch hält Lauren Clack eine Überraschung bereit. Ein Wachmann kommt ins Sitzungszimmer, stellt auf Dialekt eine Frage. Die gebürtige US-Amerikanerin wechselt ohne Zögern vom Englischen ins Schweizerdeutsche. «Ich habe einen etwas speziellen Akzent», sagt sie danach fast entschuldigend. Es wirkt wie ein understatement. Später wird sie davon sprechen, dass Demut keine Eigenschaft ist, die in der akademischen Welt besonders hohes Ansehen geniesst – und wie wichtig sie es dennoch findet, Demut an den Tag zu legen.

 

«Die akademische Welt ist kein System das «kindness» belohnt.»

 

Wahrscheinlich ist es nicht Demut, die Lauren Clack auf ihren Posten gebracht hat. Aber sehr wahrscheinlich ist es Demut, die dazu beiträgt, dass der Spirit in ihrem Team gut ist. Seit Februar 2021 ist Clack Assistenzprofessorin für Implementation Science in Health Care an der Universität Zürich und leitet ein 9-köpfiges Team, die meisten davon Doktorierende und Postdoktorierende. «Ich fühle mich wirklich verantwortlich für sie», sagt die 34-Jährige. «Aber die akademische Welt ist kein System das «kindness» belohnt.» Die jeweils eigenen Bedürfnisse transparent zu machen, das sei ihr wichtig – beispielsweise wenn es darum geht, die Autorenschaft einer Publikation auszuhandeln. «Wir haben gute Beziehungen im Team. Ich versuche, meine Leute nicht auszunutzen.» Dieses ernsthafte Bemühen ist ihr im Gespräch anzumerken, besonders aber die Freude, an dem, was sie tut. «Es wird so viel zu einer besseren Gesundheit geforscht», sagt sie. «Aber vieles davon landet in einer Schublade. Wir aber übertragen die Forschung in die Praxis.» Ein Beispiel für ihre Arbeit ist die Umsetzung der so genannten «Känguruh-Methode», die insbesondere bei Frühgeburten angewendet wird. Dabei tragen die Eltern ihre Kinder auf dem Oberkörper, mit der Folge, dass die Überlebenschance der Kinder steigt und sie auch weniger anfällig für Krankheiten sind. Klingt ziemlich einfach, ist aber in der Praxis nicht immer so einfach durchzusetzen: Die Bezugspersonen müssen während einer bestimmten Zeit rund um die Uhr bei ihren Kindern im Spital sein. Das ist nur möglich, wenn die Gesetzgebung es ihnen erlaubt, der Arbeit fernzubleiben. Clack spricht von einer «Wissens-Tun-Lücke» (Know-Do-Gap). «Aber genau das ist das interessante meiner Arbeit, die Herausforderung, diese Lücke zu schliessen, und zwar mit einer Truppe von super intelligenten, motivierten Menschen.»

 

«Ich erkannte, dass es andere Möglichkeiten als ein Medizinstudium gibt, um in der Medizin einen Unterschied zu machen.»

 

Ursprünglich wollte Clack, die in Michigan aufgewachsen ist, Medizin studieren. Voraussetzung für ein Medizinstudium in den USA ist ein Bachelorstudium. Clack wählte dafür Biologie, Französisch und internationale Beziehungen. Im letzten Jahr absolvierte sie ein Auslandsemester im Bereich öffentliche Gesundheit in Genf. Damit waren die Weichen gestellt. «Ich war bei einer wunderbaren Gastfamilie mit zwei Kindern und einem Bernhardinerhund untergebracht», erzählt sie. Am Ende ihres Studiums hatte sie die Möglichkeit, ein Praktikum zu absolvieren im Unispital Genf. «Das war ein Schlüsselerlebnis», sagt sie. Sie sah, wie entscheidend Verhaltensänderungen für die Gesundung von Patient:innen sind. «Ich erkannte, dass es andere Möglichkeiten als ein Medizinstudium gibt, um in der Medizin einen Unterschied zu machen», sagt sie rückblickend. Am Unispital war sie an einem Forschungsprojekt beteiligt, das in verschiedenen europäischen Spitälern untersuchte, welche Faktoren für die Infektionsprävention entscheidend sind. Eine Erkenntnis: «Dass manche Spitäler die Infektionskontrolle besser im Griff haben als die anderen, hat nicht nur mit den ökonomischen Rahmenbedingungen zu tun», sagt Clack. «Jedes Spital ist anders, man kann nicht von einem auf alle schliessen.» In anderen Worten: Es menschelt überall, das individuelle Verhalten ist ein Schlüsselfaktor.

 

«Die Junge Akademie hat mir Türen geöffnet.»

 

Clack setzte ihr Studium in England fort, wo sie einen Masterabschluss in Angewandter Ergonomie machte. An der Universität Zürich doktorierte sie in Psychologie. Von 2012 bis 2020 arbeitete sie als Wissenschaftlerin und Projektleiterin an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene des Universitätsspitals Zürich. Im Spitalalltag wandte sie die Methoden an, die sie als Implementationswissenschaftlerin erforscht hatte. Letztlich ging es darum mit der systematischen Integration evidenzbasierter Präventionsmassnahmen die Versorgung zu verbessern. «Wirklich etwas zu bewegen, und nicht nur zu publizieren, treibt mich an», sagt sie. Das gilt auch für ihr Engagement bei der Jungen Akademie, einer Auswahl von «Torjägern» («goal getters») wie Clack sie nennt. «Die Idee, etwas zur Zukunft der Akademie beitragen zu können, hat mich gereizt», sagt sie. «Aber natürlich wäre es vermessen, zu meinen, die ganze akademische Landschaft umgestalten zu können.» Nachdem sie nun ein paar Jahre dabei ist, kann sie aber zumindest sagen: «Die Junge Akademie hat mir Türen geöffnet.» Und das bedeutet auch: Der Nachwuchs bekommt Gehör. So ist Clack seit ein paar Monaten Mitglied bei der «Koordinationsplattform Klinische Forschung» der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW, und zwar als Vertreterin der Nachwuchsforschenden. «Bis jetzt war ich erst an einem Treffen», sagt sie. «Aber für mich ist es eine interessante Gelegenheit zum Austausch über die Verbindung von klinischer Forschung mit der Praxis.»

 

«Nicht jeder Mensch ist für eine akademische Karriere gemacht. Du musst hart arbeiten und wirst nicht immer belohnt.»

 

Gelegenheiten unabhängig von den Umständen beim Schopf zu packen – darin hat sie Übung. Als sie 2021 als relativ junge Assistenzprofessorin berufen wurde, war sie im 7. Monat schwanger. Sie erzählt es fast beiläufig, kein grosses Ding. Doch: «Ich dachte, das Timing ist nicht so gut», sagt sie. «Aber meine Kollegen und Kolleginnen waren sehr unterstützend, bei uns im Team haben viele eine Familie.» Natürlich sei ihr Leben ziemlich vollgepackt, zumal ihr Partner auch einen Akademischen Hintergrund hat. «Nicht jeder Mensch ist für eine akademische Karriere gemacht. Du musst hart arbeiten und wirst nicht immer belohnt.» Dass sie heute dort ist, wo sie ist, habe sie vielen Menschen zu verdanken, die sich für sie eingesetzt haben – unter anderem als es um eine Arbeitsbewilligung ging. «Insbesondere meine beiden Vorgesetzten in Genf und Zürich, Walter Zingg und Hugo Sax hatten einen grossen Einfluss darauf, dass ich in der Schweiz meine akademische Laufbahn verfolgen konnte», sagt sie: «Ich bin wirklich glücklich, dass ich diesen Job habe.» Diese Dankbarkeit, dieses Glück versuche sie auch im Team zu vermitteln – als eine Art «prima inter pares.» Es sei wichtig, Mentorinnen und Mentoren zu haben, die anderen «von Mensch zu Mensch begegnen, und mit denen man gerne die Kaffeepause verbringt.»

 

Da blitzt sie wieder durch, diese Demut. Doch Lauren Clack kann auch anders: Als sie nach Zürich kam, weigerte sie sich ein Jahr lang, die Sprache zu lernen. «Ich war sehr stur», sagt sie. Schliesslich habe sie ihre «study nurse» im Spital eines Besseren belehrt. Das gelungene Beispiel einer erfolgreichen Verhaltensänderung. Heute kann sie sich im Alltag auch mit dem Wachmann auf Züritüütsch unterhalten.

Biografie

Von den «Great Lakes» an den Zürichsee: Lauren Clack (Jg. 1989) ist im Mittleren Westen der USA, nahe bei den grossen Seen, mit ihren Eltern und einer jüngeren Schwester aufgewachsen. «Meine Eltern sagen den Leuten, dass ich Lehrerin bin», erzählt sie lachend. Nach ihrem Bachelorabschluss in Biologie, Französisch und Internationalen Studien am Hope College in Holland/Michigan, USA, schloss sie ein Masterstudium in Human Factors Engineering an der University in Nottingham, UK, ab und doktorierte an der Universität Zürich in angewandter Psychologie. Heute leitet sie als Assistenzprofessorin die Forschungsgruppe für Implementation Science in Health Care an der Universität Zürich. In ihrer Freizeit ist die ambitionierte Triathletin auf dem eBike oder mit den Laufschuhen unterwegs. Sie ist aber auch oft an einer Töpferdrehscheibe anzutreffen – sie hat sogar eine zu Hause. Ihre Spezialität sind blau-weisse Tassen. «Es ist schön, etwas Greifbares mit den Händen zu schaffen», sagt sie. Lauren Clack lebt mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Sohn Oliver (3) in Zürich.