Wissenschaft vernetzen.

Die Junge Akademie Schweiz vernetzt Nachwuchsforschende aus verschiedensten Wissenschaftsbereichen und bildet ein inspirierendes Umfeld für inter- und transdisziplinäre Begegnungen und innovative Ideen. Die Mitglieder sind Ansprechpartner:innen für die Schweizer Wissenschaft und gelten als die junge Stimme der Akademien der Wissenschaften Schweiz.

Estefania Cuero vernetzt Menschen und Disziplinen

Sie ist auf Menschenrechte und Diversität spezialisiert, hat in Deutschland, Ecuador und Spanien gelebt – und die Schweiz zu ihrer Wahlheimat gemacht. Damit ist sie eine Netzwerkerin aus Erfahrung und Überzeugung: Estefania Cuero, neues Mitglied der Jungen Akademie.
 
Autorin | Astrid Tomczak

Es hat etwas Atemraubendes, wenn Estefania Cuero aus ihrem Leben erzählt: Sie ist in Ecuador geboren, in Deutschland aufgewachsen, als Teenager wieder nach Ecuador umgezogen, hat in Spanien gelebt, dann wieder in Deutschland, wo sie in der Nähe von Köln ihr zweisprachiges Abitur (Deutsch und Spanisch) mit Bestnote abschloss. Genf, London und Berlin waren weitere Stationen. Doch diese geografischen Punkte sagen noch nicht viel über das aus, was Cuero ausmacht. «Engagement ist meine Pflicht als Bürgerin», sagt die 30-Jährige. Das 14-jährige Mädchen, das zur Grossmutter nach Ecuador zog, weil es wissen wollte, wie sich das Leben und die Schule dort so anfühlten, hätte diesen Satz wohl nicht so formuliert. Doch schon in der Schülerin war angelegt, was sie erst Jahre später so klar artikulieren sollte: Ihr Wille, sich für die Gesellschaft einzusetzen. Sie war Schülersprecherin, engagierte sich als Studentin in verschiedenen Nichtregierungsorganisationen, organisierte interkulturelle Anlässe und brillierte wie nebenbei mit ihren akademischen Leistungen. Nach dem Abitur absolvierte sie zwei Semester in Unternehmenskommunikation und Marketing. «Aber mir hat was gefehlt», sagt sie. «Ich wollte etwas tun, was mir hilft, mich gesellschaftlich zu engagieren». 

 

Nach so einem Satz würde man erwarten, dass sich jemand für Jura einschreibt, vielleicht Soziologie oder Medizin. Doch Cueros Wahl fiel auf spanische und englische Sprache und Literatur. «Ich merkte schnell, wie Literatur für politische Gerechtigkeit wirken kann», sagt sie. Zu dieser Erkenntnis beigetragen habe einerseits ihre Professorin an der FU Berlin, Prof. Dr. Susanne Zepp, die sich unter anderem für die deutsch-jüdischen Beziehungen einsetzt. Andererseits sei die spanische und lateinamerikanische Literatur voller Figuren, die für eine weltoffene Gesellschaft einstünden. Mit ihrer Fächerkombination war Estefania Cuero aufs Lehramt eingespurt. Doch die entscheidende Frage ihrer Mentorin «Willst du wirklich Lehrerin sein?», gab ihrer Laufbahn eine andere Richtung. «Ich könnte doch noch was ganz Anderes erreichen», erzählt Cuero rückblickend. Die Bemerkung arbeitete in ihr und schliesslich kam sie mit einem Stipendium des Carlo-Schmid-Programms zu OCHA, dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, in Genf. «Das hat mir viele Türen geöffnet, aber auch eine neue Perspektive auf mein Engagement gezeigt». Sie habe sich lange hin- und hergerissen gefühlt zwischen zwei Welten: Den Menschen, denen sie helfen wollte, und den Organisationen, die so weit weg von den alltäglichen Problemen liegen. Die Begegnung mit Angela Davis, einer Ikone der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, half ihr, mit diesen Widersprüchen zu leben. «Sie hat mir gesagt: ‘Du musst dich nicht entscheiden. Du musst den Kampf überallhin mitnehmen‘». 

 

«Ich wollte etwas tun, was mir hilft, mich gesellschaftlich zu engagieren»

 

Nach einem Einsatz bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Ecuador wusste Estefania Cuero: «Ich will Expertin im Bereich Menschenrechte werden». Der nächste Schritt: Das Masterstudium «Menschenrechte und kulturelle Diversität» an der renommierten University of Essex. Nach dem Master kam sie nach Luzern, um für die Organisation «Wasser für Wasser» zu arbeiten. Heute schreibt sie an der Universität Luzern an ihrer Dissertation zum Thema «menschenrechtsbasierte Entwicklung». Dass sie ausgerechnet in der Schweiz lebt, ist kein Zufall. «Ich habe in Genf gemerkt, dass mir das Land mit seiner Vielsprachigkeit sehr gut gefällt», sagt sie. Insbesondere die Kombination des Fremden und doch auch Vertrauten in der Deutschschweiz habe sie sehr angezogen.  
 

«Ich wollte irgendwo ankommen». Das ist sie nun also im Herzen Europas – und in der Jungen Akademie. «Ich habe meine Wahlheimat gefunden, ich weiss, was ich beruflich machen will. Mit der Jungen Akademie habe ich nun auch das passende Gefäss hinsichtlich meines Engagements gefunden», betont sie. Sie hofft, dass die Junge Akademie sich als Referenz für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft etabliert und damit zur Entwicklung der Bildungslandschaft Schweiz beiträgt. Nach Jahren der Wanderschaft zwischen Ländern, Disziplinen und den verschiedenen Engagements hat Estefania Cuero nun also ihren Platz gefunden und will von dort aus in der Gesellschaft wirken. Ob sie ehrgeizig ist? Sie zögert, blickt lange auf den Tisch. Und sagt dann: «Ja, wahrscheinlich schon. Ich möchte Einfluss nehmen, wenn ich weiss, dass ich richtig liege».

Internationale Netzwerkerin

Estefania Cuero (Jg. 1990) ist in Ecuador geboren und (ab dem 4. Lebensjahr) in Deutschland aufgewachsen. Sie hat in Berlin spanisch- und englischsprachige Literatur studiert und an der University of Essex das Masterstudium «Menschenrechte und kulturelle Diversität» absolviert. Heute schreibt sie an der Universität Luzern eine Dissertation über «menschenrechtsbasierte Entwicklung». Sie war Vertreterin der Schüler- und später Studierendenschaft und hat sich fortlaufend in verschiedenen NGOs engagiert. Gesellschaftliches Engagement sieht sie als Bürgerpflicht. Mit einem Stipendium des Carlo-Schmid-Programms hat sie bei OCHA gearbeitet, dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, im Jahr 2016 war sie während des schweren Erdbebens für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Ecuador im Einsatz. In ihrer Freizeit kocht sie gerne und erkundet mit ihrem Partner dessen Heimat – das Luzerner Seetal.