Interview | Astrid Tomczak
Devi Bühler, welche Sprache würden Sie gerne noch lernen?
(lacht). Griechisch wäre noch was, ich mache gerne Urlaub in Griechenland, war schon sechs Mal dort. Und in der Mathematik, die mir sehr nahe liegt, gibt es ja viele griechische Begriffe, da wäre es cool, die Sprache, die dahinter steckt, zu können. Und dann vielleicht noch eine afrikanische Sprache, weil ich beruflich immer mehr in Afrika unterwegs bin, Suaheli zum Beispiel.
Ich frage, weil ich gesehen habe, dass Sie in 7 Sprachen zumindest Grundkenntnisse haben. Woher kommt diese Mehrsprachigkeit?
Ich bin dreisprachig aufgewachsen. Englisch, Holländisch und (Schweizer-) Deutsch. Zu Hause habe ich mit meiner Mutter Holländisch und mit meinem Vater Englisch gesprochen. Mein Vater war zwar Schweizer, aber weil er und meine holländische Mutter sich in Schottland kennengelernt haben, haben sie das Englisch beibehalten. Und da ich in der Schweiz aufgewachsen bin, war das Schweizerdeutsch normal. Französisch habe ich in der Schule gelernt, und wollte es dann so beherrschen, dass ich wirklich sprechen kann. Spanisch kam dann später auf meinen Reisen dazu. Hebräisch habe ich gelernt, weil ich oft in Israel auf Reisen war und mich wenigstens einigermassen verständigen wollte. Im Sprachkurs habe ich gemerkt, dass es gar nicht so schwer ist, eine Sprache mit einem anderen Alphabet zu lernen. Aufgrund dieser Erfahrung dachte ich dann, dass ich als nächste Herausforderung noch eine andere Sprache mit fremder Schrift lernen könnte – und habe mich für Chinesisch entschieden. Das war dann allerdings ein ganz anderes Level. Nach mehreren Lektionen in der Schweiz konnte ich nur knapp einen Satz sagen. Deshalb habe ich entschieden, die Sprache in China zu lernen. Da habe ich von morgens bis abends richtig gebüffelt!
«In meinen Augen ist jede Entscheidung ein Ausdruck von Gestalten, jedes Mail eine Weiche, die man stellt.»
Sie sind gemäss Selbstbeschreibung auf LinkedIn Umweltingenieurin, Forscherin, und kreativer Geist. Mit welchen dieser Rollen identifizieren Sie sich am meisten?
Die ersten beiden beschreiben meine Funktion, aber ich bin ja nicht nur das. Das Kreative ist viel umfassender und beschreibt viel besser und ganzheitlicher, was ich mache. Mein Vater war Künstler, und meine Mutter hatte immer gedacht, dass ich die Kunsthochschule absolvieren würde. Sie war wohl etwas verwundert, dass es ganz anders gekommen ist, aber sie findet gut, was ich mache. Ich habe das Gefühl, dass ich täglich meine Kreativität ausleben kann, indem ich durch meine Projekte meine Ideen verwirkliche. In meinen Augen ist jede Entscheidung ein Ausdruck von Gestalten, jedes Mail eine Weiche, die man stellt. Das ganze Projekt hier (sie zeigt auf das grosse Gelände, mit dem Gäste- und Veranstaltungshaus, Bäumen, verschiedenen Sitzplätzen, im Hintergrund weiden Schafe,) ist beispielsweise Ausdruck davon. Wenn ich tatsächlich mal Zeit hab – was nicht so oft vorkommt – dann mache ich auch künstlerische Sachen, wie Malen, Knüpfen oder Basteln.
Ursprünglich haben Sie ja eine Lehre als Drogistin gemacht. Was hat Sie zum Studium der Umnweltingenieurswissenschaften bewogen?
Ich wurde akademisch nicht besonders gefördert und bin als Kind auch nicht wahnsinnig gerne zur Schule gegangen, da lag eine Lehre nahe. Aufgrund des Kundenkontakts und der Breite an Themen, habe ich mich für eine Lehre als Drogistin entschieden. Da ich mich besonders für die naturwissenschaftlichen Fächern – Bio und Chemie – interessierte, habe ich dann die technische Berufsmatura gemacht. Dabei habe ich meine Leidenschaft für Mathematik entdeckt. Dazu wollte ich etwas für die Umwelt tun und mir wurde klar, dass ich Umweltingenieurin werden will. Für manche sieht das jetzt nicht nach einem gradlinigen Weg aus, aber ich hatte alle Voraussetzungen dafür: Ich kannte mich mit Botanik aus, hatte die Grundlagen in Bio, Chemie und sogar noch Marketing- und Verkaufserfahrung. Im Studium wollte ich zuerst was mit Pflanzen machen, wie etwa urbaner Gartenbau. Dann interessierte ich mich immer mehr für erneuerbare Energien. Das war eine Männerdomäne, am Anfang gabs zwar noch eine andere Frau in der Vertiefung, am Schluss war ich die einzige.
Mussten Sie als Frau besonders gut sein?
Vor der Entscheidung für die Vertiefung in erneuerbare Energien habe ich mich schon gefragt, ob ich’s kann. Aufgrund meines Leistungsausweises wusste ich aber, dass es möglich sein muss. Wenn ich heute zurückdenke und das reflektiere, denke ich, dass ich mir eine solche Frage gar nicht hätte stellen dürfen, da stimmt was im System nicht.
«Da merkte ich, dass ich gerne selber die Verantwortung tragen möchte, dafür aber nach meinen Ideen gestalten möchte.»
Wie war Ihr (zweiter) Einstieg in die Berufswelt?
In meiner Bachelorarbeit habe ich ein Tool entwickelt um sog. Zero-Emission Gebäude zu evaluieren, woraufhin meine Betreuerin mich gleich als Praktikantin anstellen wollte. Ich wollte aber lieber erst mal meine Freiheit geniessen und reisen, die Welt entdecken. Allerdings habe ich dann ein Jobangebot in einem Unternehmen bekommen, das Elektrobusse und -Lastwagen vertrieben hat. Am Anfang war das nur ein studentischer Aushilfsjob, dann bin ich nach Israel verreist und nach meiner Rückkehr konnte ich in diesem Unternehmen einsteigen und den ganzen Unternehmensaufbau inklusive Businessplan, Investorensuche begleiten und mitgestalten. Die Verkaufserfahrung hat mir da sehr geholfen. Dort wurde mein Unternehmergeist geweckt. Allerdings führte das auch immer mehr zu Reibungen, weil ich letztlich als Mitarbeiterin nicht die Verantwortung trug, aber einiges anders machen wollte. Da merkte ich, dass ich gerne selber die Verantwortung tragen möchte, dafür aber nach meinen Ideen gestalten möchte.
In Feldbach haben Sie dann Ihre Ideen umgesetzt. Wie sieht das konkret aus?
Angefangen habe ich mit dem Synergy Village, einem Begegnungsort für lokale und internationale Besuchende. Zusammen mit meinem Bruder haben wir das heruntergekommene Grundstück, auf dem wir aufgewachsen sind, mit viel Herzblut und Knochenarbeit «aufgepäppelt». Heute betreiben mit dem Verein Synergy Village eine Event-Location, ein Gästehaus und arbeiten mit Volontären aus der ganzen Welt zusammen.
Zeitgleich mit dem Start des Synergy Villages, habe ich aus meiner Bachelorarbeit heraus gesehen, dass der Raum fehlt, um Innovationen im Gebäudebereich in der Praxis auszuprobieren. Daraus ist die Idee des KREIS-Hauses entstanden, das möglichst vom Bau über den Betrieb bis hin zum Rückbau den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft folgt. Diese Idee konnte ich im Rahmen meines Masterstudiums und meiner Stelle als wissenschaftliche Assistentin in der Forschungsgruppe Ökotechnologie an der ZHAW weiterverfolgen. Der Weg war aber ein langer und es ging nicht immer gleich schnell voran. In der Zwischenzeit konnte ich aber ein weiteres Forschungsprojekt in Südafrika aufbauen. Wir entwickeln dort einen wasser- und energieautarken Waschmaschinenbetrieb, der sog. «LaundReCycle». Damit soll der Wasserknappheit entgegengewirkt und den Leuten vor Ort neue Jobperspektiven geboten werden.
Letztes Jahr wurde schliesslich das KREIS-Haus eingeweiht – und hat ein breites Echo ausgelöst. Sind Sie zufrieden?
Enorm. Ich hätte das nie erwartet. Ich war zeitweise nicht sicher, ob ich dieses Wagnis wirklich eingehen und mich so aus dem Fenster lehnen soll. Und dann berichteten sogar ausländische Medien, ich habe viele Mails erhalten. Einerseits hat es also dieses gewaltige Echo ausgelöst. Andererseits musste ich mich auch persönlich total reingeben, hatte ein Jahr lang keine Ferien und Wochenenden mehr – und musste meine ganzen Ersparnisse reinstecken. Das macht mir manchmal schon etwas zu schaffen: Alle finden die Idee toll, alle gratulieren mir, aber die benötigten finanziellen Mittel zu bekommen, war und ist enorm schwer. Dass das Ganze auch einen gesellschaftlichen Wert hat, der nicht gratis ist, sehen viele nicht.
«Wenn ich damit wirklich etwas zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen konnte, bin ich zufrieden.»
Was wollen Sie mit diesem Projekt noch erreichen?
Es soll ein Vorzeigeprojekt sein, und Erkenntnisse liefern, wie man zukunftsfähig bauen kann und soll. Dass man die Erkenntnisse auch im grossen Stil umsetzen kann. Was ich hier investiert habe, kann niemals finanziell aufgewogen werden. Aber wenn ich sehe, dass ich damit wirklich etwas zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen konnte, bin ich zufrieden. Dass mein Know-how gefragt ist, dass die Leute zuhören oder auch kritisch hinterfragen und die Ideen international weitertragen.
Das klingt nach einem Full-Time-Job. Aber hauptberuflich sind Sie ja wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Unwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW. Woran forschen Sie?
Momentan sind das KREIS-Haus und der LaundReCycle in Südafrika meine beiden Hauptforschungsprojekte. In beiden Projekten erheben wir aktuell die Betriebsdaten, um so die Entwicklung der Technologien weiterzubringen. In Südafrika ist meine Vision, dass wir das Konzept der wasser- und energieautarken Versorgungssysteme auf ganze Gemeinschaften, oder Gemeinschaftszentren erweitern können. Vielerorts gibt es keine funktionierende Sanitärinfrastruktur. Lokale Wasserkreisläufe, die Regenwasser und aufbereitetes Abwasser nutzen, sowie die Wasser- und Nährstoffflüsse mit dem Anbau von lokalen Nahrungsmitteln verbinden sind günstiger und flexibler als konventionelle Infrastrukturbauten, schaffen mehr lokale Wertschöpfung und schonen die natürlichen Ressourcen. In der Schweiz beschäftige ich mich hauptsächlich mit der Kreislaufwirtschaft im Baubereich. Auch hier ist der geschlossene Wasserkreislauf auf Gebäudeebene wie im KREIS-Haus ein Thema. Jedoch ist in der Schweiz das Bewusstsein für Wasserthemen viel kleiner. Allgemein herrscht die Meinung, dass wir als Wasserschloss Europas genug Wasser haben. Bedenkt man aber, dass ein Gebäude im Idealfall für 100 Jahre gebaut wird, müssen wir unsere Bauweise an den Klimawandel anpassen. In meiner Forschung beschäftige ich mich einerseits mit der technischen Entwicklung der Konzepte und Technologien, und andererseits mit der Schnittstelle zur sozio-ökonomischen Dimension. Für letzteres führen wir Befragungen durch und holen das Feedback der Nutzenden ein. Denn das Ziel ist, Lösungen zu entwickeln, die von den Nutzenden angenommen werden und so einen breiten Anklang in der Gesellschaft finden. Diese Analysen und Erkenntnisse sind auch Teil meiner Doktorarbeit, welche ich an der Uni Gent in Belgien absolviere.
«Da ich von der Fachhochschule komme, bin ich so etwas wie eine Exotin.»
Sie sind Gründungsmitglied der Jungen Akademie Schweiz. Was war Ihre Motivation, sich für die JAS zu bewerben?
Da ich von der Fachhochschule komme, bin ich so etwas wie eine Exotin. Mir war es wichtig, die Sicht der FH einzubringen. So haben wir etwa bessere Anstellungsbedingungen als an den Universitäten, der Konkurrenzkampf ist viel kleiner, haben einen kleineren Publikationsdruck und ab Stufe wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in keine befristeten Anstellungen. Bei uns weht ein anderer Wind, der Umgang ist eher freundschaftlich und konstruktiv, an den Universitäten dagegen eher kritisch.
Aber andererseits können wir an den Fachhochschulen nicht doktorieren und der Zugang zu den typischen Forschungsförderern, wie dem SNF, ist viel schwieriger, da stellt sich die Frage, ob wir akademischer werden müssen. Ich will erreichen, dass wir mit den Universitäten gleichgestellt werden.
Was möchten Sie mit der JAS noch erreichen?
Ich finde, die besten Ideen entstehen, wenn Leute zusammensitzen. Aufgrund der Pandemie hatten wir bis jetzt noch nicht so viele Gelegenheiten für einen persönlichen Austausch. Trotzdem sind gute Projekte entstanden – ich war ja Mitglied der Gruppe «The Future of Human Rights.» Da haben wir anlässlich des Tages der Menschenrechte einen Event organisiert und eine Design Challenge durchgeführt, bei der die Teilnehmenden den Einfluss des Klimawandels auf die Menschenrechtssituationen visualisiert haben. Dieses Jahr bin ich vor allem noch an der Nachbearbeitung der Design Challenge dran. Im Juni haben wir ein Retreat unter den Mitgliedern. Da freue ich mich auf den Austausch und die Entwicklung neuer Ideen und Projekte.
Devi Bühler (Jg. 1987) ist in einer mehrsprachigen Familie aufgewachsen: Ihre Mutter ist Holländerin mit indonesischer Abstammung, ihr Vater Schweizer. Devi Bühlers Vater war Künstler, für den Lebensunterhalt sorgte vor allem Devis Mutter als Krankenschwester. Devi absolvierte eine Lehre als Drogistin, absolvierte danach die technische Berufsmaturität und studierte im Bachelor und Master in Umweltingenieurwesen an der ZHAW, Wädenswil. Heute ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Ökotechnologie am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen an der ZHAW und leitet Projekte im In- und Ausland, die sie von Grund auf aufgebaut hat. Im letzten Jahr wurde Devi Bühlers «Herzensprojekt» auf dem Grundstück von Synergy Village eingeweiht: Das KREIS-Haus, ein Haus, das vollständig den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft gewidmet ist und Raum bietet Innovationen in der Praxis zu testen. Wer ausprobieren möchte, wie es sich in so einem Haus wohnt, kann dort auch als Forschungsteilnehmer:in übernachten und Probewohnen. Gleichzeitig kann das «Synergy Village» besucht werden: Ein Grundstück, das Devi, ihr Bruder und der Verein Synergy Village aufgepäppelt und in eine Eventlocation mit Gästehaus verwandelt haben. Devi Bühler ist heute Präsidentin vom Verein. Devi Bühler ist Gründungsmitglied der Jungen Akademie. Zurzeit doktoriert sie in Belgien und ist in weiteren Verbänden, wie dem Verband Baubioswiss als Vorstandsmitglied aktiv.
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